Mysterys: Mein Interview mit dem Geocaching Magazin 2017

Das Geocaching Magazin hat mich 2017 um ein Interview zum Thema Mysterys und MysteryMaster gebeten, welches ich schriftlich beantwortet habe. Das Interview wurde so nahezu unverändert in Ausgabe 6/2017 (ab Seite 25) abgedruckt.

Wie bist Du auf die Idee zum MysteryMaster und einem Kryptografie-Portal gekommen?
Seit ich 2008 mit dem Cachen angefangen habe, interessieren mich daran auch insbesondere die Mysteries. Damit ich sich dabei wiederholende Aufgaben wie etwa Morsezeichen dekodieren nicht immer wieder per Hand machen muss, schrieb ich, anfangs nur für mich selbst, ein Programm, dass ich MysteryMaster taufte. Im Laufe der Zeit wuchs der Funktionsumfang und ich dachte mir, dass ich das doch auch anderen Cachern zur Verfügung stellen könnte. Mittels der Web-Technologien CGI und Ajax brachte ich das Programm auf meine WebSite und seitdem kann es jeder kostenfrei benutzen.

Als die Chiffren dann später ein wenig komplizierter wurden, füllte ich auch meine angestaubte, vor zwanzig Jahren registrierte Domain Kryptografie.de mit Leben, indem ich weiterführende Erklärungen dort bereit stellte. Daraus ist mittlerweile ein ansehnliches, informatives Portal geworden für alle, die nicht nur schnell etwas dechiffrieren möchten sondern es etwas genauer wissen wollen. Ein Klick auf den Info-Button im MysteryMaster bringt einen auf die entsprechende Seite auf Kryptografie.de.
Cachst Du selber? Und wenn ja, wieviel? Und wann?
Ich bin ein bekennender Schönwetter-Cacher. Wenn das Wetter schön ist, kann mich nichts zuhause halten, dann geht es raus in die Natur - cachen. Ich habe auch schon im Urlaub 14 Tage oder 3 Wochen am Stück nichts anderes gemacht als gecacht. Obwohl ich ein bisschen ruhiger geworden bin, als ich meine 10.000 Funde voll hatte.

Wenn es regnet oder mir zu kalt ist, gehe ich eher selten cachen. Dann mache ich es mir zuhause gemütlich und löse Mysteries, die ich dann im nächsten Frühjahr besuche. Die neu gewonnenen Erkenntnisse fließen dann oft gleich in den MysteryMaster. Oder ich programmiere an einem meiner anderen Projekte.

Ich habe einmal versucht, die 365-Tage-am-Stück-Challenge durchzuziehen. Geschafft habe ich etwas über 100, dann wurde das Wetter schlecht und ich fragte mich, warum ich mir das eigentlich antue und brach ab.
Woher kommen die Informationen über die Chiffren und Algorithmen?
Das Internet ist voll davon. Man muss nur mit den richtigen Begriffen suchen. Auch wenn es auf deutschen Webseiten einiges zu finden gibt, so sind auf us-amerikanischen und französischen Seiten noch mal ganz andere Informationen zu finden. Es kommt aber auch immer darauf an, von wann eine Chiffre ist. Neumodische Dinge wie Kennyspeak oder Ook finden sich schnell auf Internetseiten. Alte Geheimschriften aus dem 15. bis 18. Jahrhundert findet man mit Glück auf Universitätsbibliotheks-Servern, wenn diese ihre Bücher eingescannt haben.

Für die Kryha Chiffriermaschine (einer schönen, silbernen Box) z. B. habe ich viele Bilder im Internet gefunden, aber zur Funktionsweise musste ich relativ lange googlen, bis ich schließlich ein Dokument bei der NSA fand - ursprünglich von 1933 und siebzig Jahre später für die Öffentlichkeit freigegeben. Anhand der Informationen darin konnte ich den Algorithmus rekonstruieren. Und jetzt kann man auf meiner WebSite Kryha-Geheimtexte dechiffrieren, ohne eine besitzen zu müssen.

Ich habe aber auch die Erfahrung machen müssen, dass Informationen auf Webseiten (und auch in Büchern) nicht immer 100%ig korrekt sind. So habe ich etwa den Murray Klappentelegraph Code so übernommen, wie er in einem Geocache-Mystery verwendet wurde. Bis sich später herausstellte, dass diese Version von einem Lehrer stammte, der sie für den Unterricht als Beispiel verwendet und frei ergänzt hatte und dabei einen Fehler machte, den er später erkannte und korrigierte. Das ursprüngliche Bildmaterial zeigte aber eine ganz andere Kodierung. Ende vom Lied: es gibt nun drei Versionen des Codes auf meiner Seite, alle ein wenig unterschiedlich. Die Geocaching-Version ist historisch falsch, hat sich in Geocaching-Kreisen aber durchgesetzt.
Magst Du Mysteries? Und wie schnell kannst Du die knacken?
Klar mag ich Mysteries. Besonders diejenigen, bei denen das Listing unmissverständlich beschreibt, was zu tun ist; man das Hirn aber bemühen muss, um zur Lösung zu kommen. Klassischen Beispiel dafür: ein Sudoku oder eine ähnliche Spielart japanischen Zahlenrätsel. Sowas macht mir Spaß.

Leider treffe ich neuerzeits immer häufiger auf eher nebulöse Mysteries: einfach nur einen Geheimtext ohne jeden Hint. Ohne Geschichte drum herum, das ist dann schon etwa lieblos. Dann hat man nur eine Chance, wenn man die Chiffre schon kennt und identifizieren kann.

Ich persönlich erkenne viele Codes dank 10 Jahren Mystery-Erfahrung auf Anhieb - den Rest macht der MysteryMaster. Aber bei weitem auch nicht alle, z. B. wenn zwei Codes miteinander kombiniert sind. Und ich hatte schon Mysteries, die kann man m. E. ohne handfesten Tipp des Owners einfach nicht lösen, weil sie einfach zu verquer sind.

Wenn ich den Code nicht erkenne und das Drumherum eher langweilig ist, dann lege ich ihn erst einmal beiseite. Vielleicht habe ich ja beim nächste mal, wenn ich drüber stolpere, eine Idee?
Ein Tipp fürs Lösen?
Ein Tipp für Anfänger vielleicht: Fangt erst einmal mit den Mysteries mit einer niedrigen Difficulty-Wertung an. Sucht euch erstmal etwas, bei dem die Aufgabe klar ist. Wenn ihr gleich mit einem D4 anfangt, wird euch das nur frustrieren. Mysteries lösen soll doch Spaß machen. Wenn ihr nach einer gewissen Zeit keinen Haken gefunden habt, mit dem ihr das Geheimnis aus dem Nebel ziehen könnt, legt das Rätsel erstmal zur Seite und sucht euch ein anderes.

Man muss nicht jeden Mystery sofort auf biegen und brechen knacken. Mit jedem gelösten Mystery sammelt ihr Erfahrung darin, wie man die Sache angeht. Und mit dem gewonnenen Wissen könnt ihr dann später auch schwierigere Rätsel lösen.

Jeweils das erste Rätsel eines Code oder einer Chiffre per Fuß zu lösen, etwa indem man Braille mittels einer Tabelle übersetzt, hilft dabei, zu verstehen, wie der Code funktioniert. Man vergisst ihn nicht mehr so schnell und kann ihn das nächste Mal wiedererkennen. Alles sofort in einen Multisolver zu kippen und darauf zu hoffen, dass er irgendwo etwas ausspuckt, bringt zwar evtl. ein schnelles Ergebnis für diesen einen Fall, aber nur durch das selbst lösen und verstehen gewinnt man die Erfahrung, die man später braucht, um auch schwierigere Mysteries zu knacken.

Ein anderer Tipp ist noch: rätselt zu zweit oder zu dritt. In der Gruppe macht das Ganze noch einmal mehr Spaß. Und der sollte im Vordergrund stehen.
Und was war der letzte Code, den Du im Portal eingebunden hast?
Ich erweitere das Portal ständig. Letzte Woche erst habe ich z. B. einen chronologische Übersicht (Zeitstrahl) eingebunden, in der man sieht, wann welche Chiffre entwickelt wurde. Also von den ägyptischen Hieroglyphen von vor 6000 Jahren über die Skytale um 500 v. Chr. über frühere Geheimschriften des 12. Jh., den ersten Chiffrierscheiben im 15. Jh., die Freimaurer Chiffre im 18. Jh., den Chiffren in den Weltkriegen bis hin zu den modernen Verfahren wie AES (2000) oder SHA-3 (2012). Auch ist eine Einführung zur Kryptoanalyse und der Steganografie dazu gekommen. Die letzten Chiffren waren die Shadow-Geheimschriften aus einer US-Agenten-Novelle aus den 1930ern; die Geheimschriften von Rose Greenhow und Elizabeth van Lew, zwei Spioninnen auf unterschiedlichen Seiten im us-amerikanischen Bürgerkrieg und die obskure Zauberhandschrift aus dem 18. Jh mit unbekanntem Autor, über die ich bei der Bibliothek der Universität Kassel gestolpert bin. In der Zauberschrift stehen in kodierten Symbolen Beschwörungsformeln und Zaubersprüche zum Herbeirufen von Geistern, die dann z. B. beim Auffinden von vergrabenen Schätzen helfen sollen. Vergrabene Schätze - da musste ich natürlich gleich an Geocaching und Schatzsuche denken. Wer möchte, kann mir gerne unter @Dr_Cool auf Twitter folgen. Da poste ich regelmäßig, was neu auf meinen Websites hinzugekommen ist.
Wie sind die Rückmeldungen auf den MysteryMaster und das Portal?
Ich höre desöfteren, dass sich die Leute vom Funktionsumfang des MysteryMasters erschlagen fühlen. Dazu muss man sagen, das mittlerweile über 1000 Funktionen integriert sind. Alle Funktionen untereinander in einer Liste aufführen wie auf den kleineren Decoder-Webseiten, funktioniert dann einfach nicht mehr. Darum sind die Funktionen nach Code bzw. Chiffre-Art kategorisiert. Manche wussten nun nicht, in welcher Kategorie sie suchen sollen.

Ich habe das Feedback genutzt, dem Problem so gut wie möglich zu begegnen. Zuerst kamen die Ebenen "Standard", "Erweitert" und "Alle" dazu, um z. B. nur die gebräuchlichsten Chiffren einer Kategorie anzeigen zu lassen. Dann kam das Suchfeld: falls man nicht die richtige Kategorie weiß, aber wie die Chiffre heißt, hilft das Eingabefeld oben rechts, in das man 3 oder mehr Buchstaben eingibt und dann eine Liste der darauf passenden Chiffre erscheint. Den richtigen angeklickt, unten auf ausführen geklickt und die Sache ist gegessen.

Ein weiterer Trick, das richtige zu finden, ist es, die Browser-Suche zu bemühen. STRG+F gedrückt und z. B. nach "Fritz Nebel" oder "1833" gesucht, weil das so im Hint stand, und schon erfährt man, dass Fritz Nebel die ADFGX Chiffre entwickelt hat oder dass 1833 der Gauß-Weber-Telegraf erfunden wurde. Das könnte dann doch die richtige Chiffre sein?

Nachdem es die Schriftcode-Beispiele von myGeotools nicht mehr gab, kam ich auf die Idee, eine Liste mit Schriftbeispielen auf Kryptografie.de zu stellen, was sehr gut ankam, weil man damit wieder Geheimschriften und Symbole anhand ihres Aussehens identifizieren kann.

Kryptografie.de hat mittlerweile auch Zulauf außerhalb der Geocaching-Gemeinde. So hatte ich schon Kontakt zu Studenten oder Kryptologen, die die Informationen darauf nützlich finden. Oder ich finde die kryptografie.de-Seite verlinkt, etwa vom Heinz Nixdorf Forum, einem Computer-Museum in Paderborn mit einer tollen Ausstellung, auch zum Thema Kryptografie. Den Cache GC3YY70 - "Come In And Find Out - CIAFO", der durch das Museum führt kann ich übrigens wärmstens empfehlen.

Grundsätzlich freue ich mich sehr über Feedback. Manchmal hilft einem ein Blick von außen sehr, Dinge zu erkennen, für die man inzwischen betriebsblind geworden ist.


© Text 2017 Oliver Kuhlemann. Dem Geocaching Magazin wurde eine Genehmigung zum Abdruck erteilt.